Gallery Cologne 07.02.–21.03.25

KILIAN BREIER
AM NULLPUNKT DER GESTALTUNG

GALERIE KÖLN 7.2. – 21.3.2025
ERÖFFNUNG FREITAG 7. FEBRUAR 2025, 18 – 21 UHR

GALERIE BURG LEDE BONN 8.2. – 23.3.2025
ERÖFFNUNG SAMSTAG 8. FEBRUAR 2025, 19 – 21 UHR

Die Fotografiehistorikerin und Autorin der ‚Fotografiegeschichte der Abstraktion‘, Dr. Kathrin Schönegg, München, führt um 19.30 Uhr in die Ausstellung ein.

 

ZEITZEUGENGESPRÄCH SONNTAG 23. MÄRZ 2025, 12 UHR

Der Kunstkritiker, Kurator und Dozent Dr. Thilo Koenig führt ein Gespräch mit Detlef Orlopp als Zeitzeuge. Dieser erinnert sich an seine Studienzeit von 1956 bis 1959 an der Staatlichen Saarländischen Schule für Kunst und Handwerk bei Otto Steinert, dessen Mitarbeiter Kilian Breier 1955-1958 und später er selbst war. 1966 – 1999 war Breier Professor an der Hochschule für Bildende Künste, Hamburg. Orlopp war von 1961-2000 Professor an der Werkkunstschule Krefeld. Die beiden Künstler verband eine enge Freundschaft.

 

KURZFASSUNG

Kilian Breier (1931 in Saarbrücken – 2011 in Hamburg) zählt zu den wichtigsten fotografischen Stimmen des 20. Jahrhunderts. Viele seiner experimentellen Arbeiten kokettieren formal mit der Abstraktion. Damit fügten sie sich in die Programmatik der subjektiven fotografie und der Generativen Fotografie, die in der Nachkriegszeit einen Gegenpol zur angewandten, dokumentarischen und erzählerischen Fotografie bildeten. Daneben suchte Breier die Nähe zu Zero und war festes Mitglied der Neuen Gruppe Saar, die sich an der konstruktiv-konzeptionellen Kunst orientierte. Er bewegte sich im Bereich der Bildenden Kunst und war doch immer auf der Suche nach den spezifischen Mitteln der Fotografie – nicht um das Wesen seines Mediums zu definieren, sondern um durch Reduktion der Bildmittel grundsätzliche Gestaltungsmöglichkeiten des Fotografischen zu erforschen.

Die Ausstellung spannt einen Bogen vom frühen, am komponierten Einzelbild orientierten experimentellen Werk bis hin zu späteren, von der Fotografik inspirierten medienanalytischen Untersuchungen. Die Ausstellung bietet einen Querschnitt durch das Œuvre des Künstlers von den 1950ern bis in die 1990er Jahre. Es sind ca. 65 Arbeiten zu sehen, einige davon werden erstmalig gezeigt.

Die ALFRED EHRHARDT STIFTUNG in Berlin zeigt vom 11.1. bis 11.5.2025 und im Rahmen des EMOP Berlin – European Month of Photography die Ausstellung “Kilian Breier: Abstrakt Konkret – Materie Licht und Form“, kuratiert von Franziska Schmidt. Der Lichtbildvortrag von Dr. Thilo Koenig „Vom Naturlicht zur Natur des Lichts. Kilian Breiers experimenteller Weg“ findet dort statt am 3.4.2025, 19 Uhr.

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LANGFASSUNG

Abstraktion, Experiment, Fehler (Galerie Bonn)

Bevor sich Kilian Breier an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken bei Hannes Neuner und Otto Steinert der Fotografik zugewandte, studierte er Malerei an der Ecole des Beaux-Arts in Paris. In der Fotografik war die Erforschung der Bildmittel des Fotografischen ein wichtiges Anliegen, um über den „Naturausschnitt“, das individuelle Sehen des Fotografen oder der Fotografin hinauszugehen und eine stärker gestalterische Wirkung zu erzielen. In den frühen 1950er Jahren arbeitete er ganz im Sinne seines Lehrers Otto Steinert in der Bauhaus-Tradition mit Verfremdungsverfahren wie der Solarisation, Doppelbelichtung, Kopier- und Klebmontagen, gezieltem Umkopieren oder kameralos, d.h. ganz ohne fotografischen Apparat. Es entstanden komplexe, auf die Dramaturgie des Einzelbildes hin verdichtete Werke, die unter anderem in der Ausstellung subjektive fotografie 2 (Staatliche Schule für Kunst und Handwerk Saarbrücken, 1954/1955) zu sehen waren. Der Ausstellungsteil in der Bonner Galerie widmet sich diesen frühen Arbeiten.

Diese Schaffensphase umfasst Naturbilder, die von der Wirklichkeit abstrahieren, wie beispielsweise eine vielteilige Serie von Pflanzenfotogrammen, deren Arrangement den Bildraum grafisch zergliedert. Dieses gestalterische Interesse zeigt sich ebenso in frühen Chemigrafiken, die der Künstler unfixiert lässt, so dass das fotochemische Material bis heute aktiv ist. Diese Werke setzen die Fotochemie gezielt als Mittel für systematische Flächengliederungen ein. Später wird Breier die Chemie selbst als analytisches Mittel betrachten und sich als Künstler aus dem Bildprozess zurückziehen.

Seine Emanzipation von der auf das autonome Einzelbild zielenden subjektiven fotografie zeigt sich Ende der 1950er Jahre dort, wo er sich mit dem Fotopapier als Bildträger auseinandersetzt und die ästhetische Dimension des Fehlerhaften systematisch erkundet. Für einige Werke verletzt der Künstler die Bildoberfläche gezielt, um das zweidimensionale Papier ins Haptische zu führen oder verwendet den Knick für die Formung des Lichts.

Andererseits wird die Emanzipation vom autonomen Einzelbild durch die Reduktion auf Grundformen auch anhand kameragestützter Aufnahmen deutlich, die er oftmals in intensiver Zusammenarbeit mit Monika von Boch für die Firma Villeroy & Boch schrittweise verfremdet. Die Werbegestaltung mit fotografischen Mitteln gehörte stets zu den Anwendungsformen des fotografischen Experiments innerhalb der Fotografik.

 

Chemikaliennutzen, Lichtnutzen, Zufall (Galerie Köln)

Ausgehend von weiteren im Umkreis der Fotografik entstandenen Werken wie Knickarbeiten, Gitter- und Rasterbildern oder Kameraluminogrammen beschäftigt sich der Ausstellungsteil in Köln mit Breiers Werk ab den 1960er Jahren. Hier stehen Phänomene der Wahrnehmung im Zentrum, wie Unschärfe, die Überstrahlung von Kontrasten oder optisch-physiologische Effekt durch die Rhythmisierung von Strukturelementen.

Neben verschiedenen grundlegenden Elementen des Schwarz-Weiß-Verfahrens  analysiert Kilian Breier in dieser Werkphase auch die Wahrnehmung von Farbe. Es entstehen großformatige bunte Luminogramme, die ganz im Geiste der Generativen Fotografie seriellen Untersuchungen entspringen, etwa, wenn die Blätter in unterschiedlicher Intensität seitlich belichtet werden und im Bildzentrum Tönungen erscheinen, die vorab nicht berechenbar gewesen waren. Das Interesse, mittels der Fotografie die Fotografie selbst bzw. Phänomene des fotografischen Prozesses zu entdecken, teilte Breier mit Kollegen wie Gottfried Jäger oder Karl Martin Holzhäuser. Anders als diese folgte Breiers Methode aber keinem präzisen vorab definierten Programm, nach dem jedes Bild zu jeder Zeit wiederholbar sein würde. Vielmehr wurzelte Breiers Interesse in den gestalterischen Grundbedingungen der Fotografie, die er für seine Lehre entwickelte. Breier war von 1958–1960 Assistent der Grundlehre bei Oskar Holweck und ab 1961 als Dozent zunächst an der Werkkunstschule in Darmstadt, ab 1966 als Professor für Fotografie an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg tätig. In diesem Rahmen erarbeitete er eine fotografische Grundlehre, die die Gestaltungsmöglichkeiten des Mediums Fotografie in ihre einzelnen Bestandteile zergliederte, um sie an folgende Generationen zu vermitteln.

In den 1980er Jahren nahm Kilian Breier intensive Untersuchungen von Licht und Chemie auf, die nun nicht mehr an der Gestaltung von Formen interessiert waren. In den Werkreihen Lichtnutzen und Chemikaliennutzen verzichtete der Künstler auf jede Komposition und überließ die Papiere sich selbst.

Als Künstler und Fotograf sowie als Hochschullehrer und Dozent hat Kilian Breier wichtige Impulse für die experimentelle Fotografie des 20. Jahrhunderts geliefert. Angesichts des Medienwechsels von Analog zu Digital kommt seinem Werk eine neue Relevanz zu, die sich im Spiegel der Fotokunst der Gegenwart offenbart.